002 | Innen.ART | Mitleid schwächt – Mitgefühl stärkt

Worte, die bleiben – Aus meinem Leben: Begleittext zur Folge 2

Intro

Jede Folge ist ein Schritt zu dir selbst. Willkommen bei Innen.ART – dem Podcast für deine innere Landschaft, wo die Inspiration leise erwacht, Kreativität Transformation entfacht und Heilung einen Raum findet – mit mir Beate Eierle.

Einleitung

Folge 2: Mitleid schwächt – Mitgefühl stärkt

Bevor ich in den kommenden Folgen tiefer auf die Herausforderungen meines Lebens und die darin verborgenen, wertvollen Lektionen eingehe, möchte ich einen zentralen Punkt vorab klären, der mir besonders am Herzen liegt:

Ich brauche kein Mitleid! Echtes Mitgefühl jedoch schon.

Mit diesem Gedanken möchte ich dich direkt ansprechen: „Wie reagierst du, wenn du einem Menschen begegnest, der leidet?“ Lass uns gemeinsam einen Blick auf einige der schmerzhaften Themen werfen, denen wir in unserer Gesellschaft immer wieder begegnen – Themen, die viele von uns persönlich oder durch das Leid anderer berühren. Mich selbst haben einige dieser leidvollen Themen heimgesucht und ich durfte meinen Umgang mit ihnen finden.

Themen

Menschen mit chronischen oder akuten Krankheiten wie Krebs, Autoimmunerkrankungen, Migräne oder Trigeminusneuralgie.

Folgen von Unfällen oder körperlichen Einschränkungen, etwa durch Amputationen oder Behinderungen.

Ältere Menschen, die plötzlich mit Einschränkungen oder Pflegebedürftigkeit konfrontiert sind, obwohl sie zuvor noch voller Energie waren.

Unsichtbares Leiden wie Depressionen und Ängste, die oft missverstanden oder übersehen werden – mit tragischen Konsequenzen. Erinnern wir uns an Robert Enke, den Torwart von Hannover 96, der im November 2009 seinem Leben ein Ende setzte. Sein Schicksal war eine mahnende Erinnerung, Depressionen ernst zu nehmen.

Kinder und Erwachsene, die traumatische Erlebnisse wie Gewalt, Missbrauch oder Naturkatastrophen durchlitten haben und oft jahrelang an den Folgen leiden.

Mobbing, das sogar schon in Schulen grassiert und viele Kinder durch Ausgrenzung und Demütigung verzweifeln lässt. Sie leiden Höllenqualen.

Soziale Einsamkeit – ein immer größer werdendes Problem, das sich oft hinter geschlossenen Vorhängen abspielt.

Finanzielle Unsicherheit durch Armut und Arbeitslosigkeit, begleitet von der stillen Scham, die Betroffene zusätzlich belastet.

Sinnkrisen, Beziehungsprobleme, Perfektionismus, der Verlust von Hoffnung, Krieg, Gewalt und Tod.

Diese Liste ließe sich noch stundenlang fortsetzen. Und sicherlich kennst auch du weitere Beispiele.
Doch an dieser Stelle möchte ich innehalten und dir zwei persönliche Fragen stellen, die mir besonders wichtig sind:

Zwei persönliche Fragen

Wie fühlst du dich, wenn dir Menschen begegnen, die von einem dieser Themen betroffen sind?
Und wie reagierst du darauf?

In unserer Gesellschaft wird viel über Hilfe und Unterstützung gesprochen. Aber tun wir wirklich genug? Zeigen wir echtes Mitgefühl – oder verfallen wir unbewusst in bloßes Mitleid?

Genau hier liegt der entscheidende Unterschied, den ich ausloten und vertiefen möchte. Lass uns gemeinsam untersuchen, was diese beiden Begriffe bedeuten und wie wir durch Mitgefühl echte Veränderung bewirken können.

Mitleid

Etymologisch stammt das Wort „Mitleid“ aus dem Mittelhochdeutschen („mitlît„) und dem Althochdeutschen („mitleida„). Es setzt sich aus den Bestandteilen zusammen:

mit: bedeutet „zusammen mit“ oder „gemeinsam“ und
Leid: steht für „Schmerz“ und „Kummer„.

Ursprünglich bezeichnete Mitleid das „Zusammen-Empfinden von Leid„. Es impliziert, das Leid eines anderen zu „teilen“ oder „miterleben“ zu wollen. Dies geschieht jedoch oft auf rein emotionaler Ebene, ohne dass aktiv eingegriffen oder nach einer Lösung gesucht wird – auch wenn man den Betroffenen am liebsten aus seiner misslichen Lage befreien möchte. Dabei besteht die Gefahr, dass uns die negativen Gefühle selbst stark belasten oder gar überwältigen, wenn wir keine innere Distanz dazu aufbauen und uns immer wieder in diese Emotionen hineinziehen lassen. Das Leid des anderen kann so zu unserem eigenen Leid werden.

Vielleicht hat Mitleid deshalb über die Zeit eine leicht distanzierte und oft herablassende Konnotation erhalten. Es bleibt auf das Leiden fokussiert, ohne den Leidenden zu stärken. In meinen Augen bringt diese Haltung dem Leidenden wenig, da er in eine Rolle gedrängt wird, die von Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit geprägt ist. Im Zustand des Mitleidens setzen wir uns weder offen mit der leidenden Person und ihren Möglichkeiten auseinander, noch hinterfragen wir die Ursache unserer eigenen mitleidigen Reaktion.

Mitgefühl

Mitgefühl, ebenfalls aus dem Mittelhochdeutschen stammend, setzt sich wie folgt zusammen:

mit: wiederum „zusammen mit“ oder „gemeinsam“ und
Gefühl: umfasst „Empfindung„, „Wahrnehmung“ und „Emotion„.

Mitgefühl bedeutet somit ein „gemeinsames Fühlen“ in einer Situation, jedoch in einem weiteren und aktiveren Sinn als Mitleid. Es geht nicht nur darum, das Leid eines anderen zu erkennen, sondern auch emotional mit ihm verbunden zu sein. Daraus entsteht oft der Wunsch, zu helfen oder zu unterstützen. Mitgefühl wird als positiver wahrgenommen, da es auf Verbindung und Unterstützung ausgerichtet ist. Es betont die menschliche Nähe und die Stärkung des anderen.

Zusammenfassung

Beide Begriffe, „Mitleid“ und „Mitgefühl„, teilen die Vorsilbe „mit„, die Gemeinschaft oder Teilhabe ausdrückt. Der Unterschied liegt jedoch in den Wurzeln:

Leid: verweist auf Schmerz und Unglück und bleibt in der emotionalen Dimension des Leidens verhaftet.
Gefühl: öffnet den Raum für eine breitere emotionale Palette und eine aktivere Haltung, die Nähe, Verständnis und Handlung einschließt.

Altbekanntes Sprichwort

Der häufig verwendete Spruch: „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ mag in der Mathematik Gültigkeit haben, doch je nach Kontext und Interpretation wird das Leid in der Realität nicht unbedingt halbiert.

Der Spruch suggeriert, dass das Leid objektiv weniger wird, wenn es geteilt wird. Doch das trifft nicht immer zu. Besonders bei großen Verlusten oder chronischen Problemen bleibt das Leid oft bestehen, selbst wenn man darüber spricht. In solchen Fällen kann sich die emotionale Last sogar auf andere übertragen, ohne dass das eigene Leid dadurch tatsächlich kleiner wird. Man könnte also sagen: „Das Leid wird verteilt, aber nicht reduziert.

Der Spruch ist somit weder absolut „wahr“ noch „falsch„. In manchen Situationen trifft er zu, vor allem wenn es gelingt, echtes Mitgefühl und Verbundenheit zu schaffen. Entscheidend ist, wie das Leid geteilt wird und ob die andere Person es mit Mitgefühl und Verständnis auffängt, statt bloßes Mitleid zu zeigen oder das Leid gar zu verstärken.

Dieser Spruch zeigt deutlich, wie wichtig es ist, seine Bedeutung kritisch zu reflektieren. „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ gilt nur dann, wenn echtes Mitgefühl im Spiel ist – andernfalls kann es das Gegenteil bewirken.

Retroperspektiv

Rückblickend auf meine eigene Kindheit kann ich das nur bestätigen. Als ich fast mein Bein durch einen aggressiven Knochentumor verloren hätte, waren es die mitleidigen, passiven Aussagen, die mir Angst machten und mich wie ein Opfer fühlen ließen.

Ich erinnere mich noch genau an die Worte meiner Mutter, die ich heimlich belauschte, als sie abends am Telefon mit meiner Patentante über die schreckliche Verdachtsdiagnose sprach: „Ach, das arme Kind. Wie schrecklich, das tut mir so leid.“ Ihre Stimme war ein Flüstern voller Mitleid, das mir Angst einjagte.

Plötzlich begann in meinem Kopf ein Film abzulaufen: Nie wieder Skifahren, kein Sport, kein Tanzen – nichts von dem, was ich so liebte. Ich sagte meiner Mutter nichts davon, dass ich Bescheid wusste, und ging mit einem flauen Gefühl und einer riesigen Portion Angst ins Krankenhaus.

Dort verstärkten sich meine Gefühle der Hilflosigkeit. Die Ärzte tuschelten, meine Mutter sah mich mit einem besorgten, mitleidigen Blick an, und ich wurde immer kleiner in meinem Bett. Ich fühlte mich schwach, ausgeliefert und allein. Was mir stattdessen geholfen hätte, wäre echtes Mitgefühl gewesen – jemand, der meine Angst spürt und mich liebevoll versteht, ohne mich zu bevormunden oder in eine Opferrolle zu drängen.

Ich war gerade einmal 13 Jahre alt, als mein Leben vollständig auf den Kopf gestellt wurde. Was ich damals brauchte, war nicht Mitleid, sondern Unterstützung, die mich in meinen Stärken stärkt. Denn auch damals war ich schon eine Kämpferin. Nach der Operation war meine erste Frage, ob mein Bein noch da war. Die Erleichterung war riesig, als ich erfuhr, dass ich Glück gehabt hatte. Doch das wahre Glück waren die Kinder auf meinem Krankenhauszimmer. Sie boten mir nicht nur Mitgefühl, sondern auch praktische Hilfe.

Ich erinnere mich noch genau, wie sie mir halfen, den Toilettengang auf festem Boden zu ermöglichen, obwohl ich eigentlich nicht aufstehen durfte. Eine hielt mein Bein hoch, die andere stellte die Bettpfanne auf den Boden – und ich schaffte es irgendwie, dank meiner gelenkigen Beweglichkeit mich hinauszubewegen. Diese kreative Unterstützung war unbezahlbar.

Wir Kinder haben uns gegenseitig gestärkt, so gut wir konnten. Wir lachten, weinten und meisterten die Herausforderungen gemeinsam. Dieses aufrichtige Mitgefühl, das wir miteinander teilten, erzeugte echte Nähe und gab uns Kraft, über uns hinauszuwachsen. Es war keine Geste von oben herab, sondern eine Form der Verbundenheit, die niemanden in eine Opferrolle drängte.

Für mich bleibt diese Erfahrung ein Beispiel dafür, wie Mitgefühl und Empathie dazu beitragen können, einen Menschen zu stärken. Mitgefühl bedeutet, präsent zu sein, ohne sich selbst in den Hintergrund zu drängen. Es ist diese echte Verbindung, die hilft, Leid zu lindern und Menschen zu ermutigen, ihre Stärken zu entfalten.

Denk nach!

Zum Abschluss lade ich dich ein, selbst aktiv zu werden:

Reflektiere, wann du das letzte Mal Mitleid empfunden hast. „Wie hast du reagiert?“ „Was hat es bewirkt?“ Versuche dich dann an eine Situation zu erinnern, in der dir jemand Mitgefühl gezeigt hat. „Wie hat sich das angefühlt?“ „Was war anders?“

Wenn dir spontan keine Beispiele einfallen, beobachte in den nächsten Tagen, wie du auf Leid reagierst – sei es in deinem Umfeld oder in dir selbst. Überlege, wo du Mitgefühl statt Mitleid zeigen könntest. Denn Mitgefühl ist nicht nur für andere – es beginnt bei uns selbst. Wenn wir lernen, uns selbst mitfühlender zu begegnen, können wir diese Haltung auch nach außen tragen.

Jetzt bist du dran: Sei kreativ!

Falls du Lust hast, deiner Kreativität Raum zu geben, lade ich dich ein, einen Baum zu zeichnen. Gib ihm starke Wurzeln, die symbolisch für Krisen und Herausforderungen fest in der Erde verankert sind, und denen starke Winde und Stürme nichts anhaben. Lass die Äste kraftvoll in die Höhe wachsen und schreibe in den Baum: „Ich brauche kein Mitleid, sondern Mitgefühl.“ Gestalte den Baum nach deinen Vorstellungen. Hänge das Bild für ein paar Tage auf, damit es dich daran erinnert, was du willst und was nicht.

Mein Wunsch

Ich würde am liebsten die nächsten Sätze in den Himmel schreiben, damit jeder sie weltweit lesen kann:

Lasst uns beginnen, Mitgefühl zu kultivieren – in uns selbst und in unserer Gesellschaft. Denn Mitleid schwächt – aber Mitgefühl hat die Kraft, uns alle zu stärken. Eine Gesellschaft, die Mitgefühl lebt, fragt nicht:

„Wie kann ich den Schwächsten bemitleiden?“,
sondern:
„Wie können wir gemeinsam eine Welt schaffen, in der niemand allein leidet?“

Eine Gesellschaft, die echtes, spürbares Mitgefühl lebt, bringt Menschen in ihre Kraft, statt sie kleinzuhalten. Sie reicht dir die Hand – nicht, um dich zu tragen, sondern um dich zu stützen, bis du selbst wieder gehen kannst. Vielleicht verstehst du jetzt, warum ich kein Mitleid brauche.

Abonniere den Podcast, wenn dir meine Themen und meine Art gefallen und lass uns gemeinsam etwas Neues beginnen.

Und wie immer zum Schluss:

Outro

Denk daran! Meine Worte entspringen meiner eigenen Innerlichkeit, meinen Erfahrungen und Wachstumsprozessen. Betrachte sie bitte als Einladung zu deiner eigenen Reise durch die inneren Landschaften deiner Welt. Finde deine Wahrheit, so wie ich meine gefunden habe, und folge dem Weg, der sich für dich richtig anfühlt – in deinem Tempo und mit deinem individuellen, künstlerischen Ausdruck. Sei dein eigener Guru, denn niemand lebt dein Leben oder hat deine Geschichte. Du allein lebst in deinem Körper, und jeder geht seinen eigenen, ureigenen Weg.

Das war die Folge 2 – Mitleid schwächt – Mitgefühl stärkt.

Danke, dass du mir deine Zeit geschenkt hast. Ich freue mich darauf, dich auf die nächste Reise mitzunehmen.

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